Ein weiteres Wochenende ist vorbei, nur noch eins bleibt für mich übrig auf der Raumstation. Das große Event des Wochenendes war natürlich das erste Espresso-Kochen, welchen wir nun in 3D-gedruckten Schwerelosigkeits-Bechern genießen können…davon erzähle ich euch in einem anderen Logbucheintrag, versprochen.
Fürs Erste muss ich noch auf die Aktivitäten der letzten Woche zurückkommen.
Mittwoch war der Tag, als wir erfolgreich Dragon leer geräumt hatten…und nahtlos zum nächsten Kampf übergegangen sind: packen und laden!
Wie ihr euch vielleicht erinnern könnte, hatten wir bereits ein wenig gepackt, bevor Dragon ankam, vorbereitete Säcke mit einem grünen „SpX-6 Return“ Aufkleber und einer spezifischen Nummer am Node 2 vorwärts Endpunkt. Nun ist es Zeit, diese Säcke mit mehr Dingen zu füllen, die zurückkehren und, natürlich, weitere Säcke vorzubereiten.
Es ist angenehm, nun Dinge in Dragon einladen zu können. Mit der neu angekommenen Fracht und der, die auf die Erde zurückkehrt und im Momentauf der ISS verstaut ist, kann die logistische Situation herausfordernd sein: im PMM, unserem haupt-Staumodul, sind die meisten Rack-Fronten gefüllt mit großen Säcken, welche mit Seilen befestigt sind. Dinge aus den eigentlichen Stauräumen zu bekommen erfordert also etwas Arbeit und Geduld!
In Bezug auf Wissenschaft arbeitete ich am Mittwoch und Donnerstag primär am fortschreitenden TripleLux-A Experiment und meiner letzten Sitzung Cardio-Ox.
Cardio-Ox ist übrigens die Kurzform des Namens. Falls ihr euch für den vollen Namen des Experiments interessiert, hier ist er: „Bestimmung der Beziehung zwischen Biomarkern von oxidativem und entzündlichem Stress und des Risikos von Gefäßverkalkung bei Astronauten während und nach langzeitlichen Raumflügen“.
Wenn ihr die Geduld hattet, das bis zum Ende zu lesen, der Name sagt eigentlich alles! Es ist nur logisch anzunehmen, dass Raumfahrt, aufgrund der Aussetzung von Strahlung, veränderter Nahrungsaufnahme, reduzierter physischer Aktivität und einer insgesamt anstrengenden Umgebung erhöhte Werte von oxidativem Stress und Entzündungen hervorrufen kann.
Beide dieser unerwünschten Zustände können indirekt gemessen werden, indem man die Konzentration von bestimmten Molekülen im Blut und Urin misst: Diese Moleküle sind die „Biomarker“ im Titel des Experiments. Das erste Ergebnis des Experiments ist es also, oxidativen Stress und Entzündungswerte zu bestimmen und zu diesem Zweck stellte ich während der Mission einige Blut- und Urinproben zur Verfügung.
Der zweite Teil jedoch besagt: Wie hängen oxidativer Stress und Entzündungen mit dem Risiko für Gefäßverkalkung zusammen? Um dies zu bestimmten, führte ich einige über die Ferne gesteuerte Ultraschalluntersuchungen meiner Halsschlagader und Oberarmarterien durch, um nach strukturellen und funktionalen Veränderungen Ausschau zu halten, die als gute Anzeichen für ein Risiko für Gefäßverkalkung gelten. Übrigens, dies ist eine Langzeitstude: die letzte post-Flug Sitzung findet 5 Jahre nach dem Flug statt.
Ich bin nicht sicher, ob ich dann noch Logbucheinträge schreiben werde, aber falls doch und ihr interessiert seid, schaut nach dem Eintrag R+1825!
Wie ihr sicher mitbekommen habt, habe ich im letzten Monat nicht allzu viel geschrieben – meine Abende flogen nur so dahin, verteilt auf den unwiderstehlichen Sog der Cupola, andere Projekte und viele kleine, persönliche Dinge, um die ich mich kümmern musste.
Tagsüber beschäftigt uns die Raumstation mit Wissenschaft, Wartung, Hausarbeit, Logistik und dem Aufrechterhalten der Fertigkeiten beim Reagieren in Notfallsituation, Robotik, Soyuz fliegen…alles Mögliche also. Die Vielzahl der Dinge, die wir hier oben tun ist beeindruckend, wenn ich mal innehalte und darüber nachdenke.
Übrigens hat uns außerdem Anfang diesen Monats eine Soyuz verlassen und die Hälfte unserer Raumstations-Bevölkerung mitgenommen. Also, zumindest in Bezug auf die menschliche Anwesenheit – Ich bin sicher, dass unsere Mikroorganismen hier oben, welche uns tausendfach in der Überzahl sind, die Raumstation für sich beanspruchen würden und sich nicht dafür interessieren, wenn drei zweifüßige Säugetiere durch drei andere ersetzt werden. Uns hingegen interessiert das durchaus.
Es war hart, Sasha, Butch und Elena abreisen zu sehen, nachdem wir uns für vier Monate so nah waren und wir waren ein kleines bisschen beunruhigt, als die Kommunikation mit ihrer Soyuz während der Düsenzündung abriss, was etwas unerwartet kam. Wir waren also froh, aus Moskau zu hören, dass die Bergungsteams Kontakt mit der Kapsel bekamen und umso erleichterter, die lachenden Gesichter unserer Freunde zu sehen, als sie ihre ersten Atemzüge frischer Luft in Kasachstan taten.
Falls ihr euch fragt, wir sahen sie auf NASA TV, wie viele von euch auch, vermute ich. Ich weiß nicht, ob ich es bereits erwähnte, aber wir können einen TV Sender live auf einem unserer Laptops empfangen, wenn wir Satellitenabdeckung für die Ku-Band Antennen haben.
Für zwei Wochen fühlte sich die Raumstation noch größer an als sonst schon mit Terry, Anton und mir als einzige (menschlichen) Einwohner. Nicht nur waren es hier weniger Leute, sondern wir bekamen natürlich auch nur die Hälfte der Arbeit erledigt, daher gab es weniger Kommunikation Weltraum-zu-Erde. Insgesamt war es sehr viel ruhiger. Und nun sind wir wieder zu sechst!
Scott, Gennady und Misha stießen letzte Woche zu uns und steuerten ihre Persönlichkeiten zum Mix hinzu für die neue Dynamik von Expedition 43. Es ist solch eine unschätzbare Gelegenheit, Teil von zwei Besatzungen zu sein: am Ende sind es die menschlichen Interaktionen, die unsere Erfahrungen hier oben ausmachen. Es ist also in einem gewissen Sinne, als wären es zwei Expeditionen, anstatt einer. Und wenn man solche tollen Besatzungskameraden hat, wie ich bei Expedition 42 hatte und nun bei Expedition 43 habe…naja, das Leben ist gut! Außerdem haben Terry und ich es einfach mit der Übergabe: Scott war vor erst vier Jahren bereits für sechs Monate hier oben, er braucht also nicht so viel Anleitung und Unterricht (und Geduld!), die wir am Anfang von Butch benötigten. Scott ist bereits mehr oder weniger autonom und hat uns bereits Ideen geben können, die unser Leben und Arbeiten verbesserten. Es ist immer gut, der Gleichung einen neuen Blickwinkel beizufügen.
Und hier sind wir nun, es ist bereits der 1. April und, bis auf weiteres, wird meine Soyuz am 14. May abdocken. Mit mir an Board, außer ich verstecke mich gut. Ich habe nur noch 42 Tage auf der ISS übrig, was natürlich eine coole Zahl ist, es ist aber auch nicht mehr viel Zeit. Wenn ich damit etwas traurig klinge liegt das daran, dass ich es bin.
Wie auch immer, mit so wenig übriger Zeit fühle ich mich verpflichtet, wieder zu regelmäßigen Logbucheinträgen überzugehen: es gibt noch immer so viel, was ich mit euch teilen möchte! Ich dachte, ich beginne damit, ein paar Bilder von Leben und Arbeit der letzten vier Monate zu teilen – für einen Einblick schaut in die Bildbeschreibungen.
Bis bald!
Unsere Festmüllbehälter werden getauscht, sobald sie voll sind, üblicherweise alle 11-12 Tage. Um einfach feststellen zu können, wie lange sie halten, schreiben wir den Tag darauf. Auf der Wand des Toilettenabteils kann man die Urinröhren und Urinsammelbehälter sehen: wir saugen Urin von den Beuteln in die Röhren und verstauen diese dann im Tiefkühler. Wenn für jemanden von uns eine 24-Stunden Urinsammlung ansteht, wird das „Equipment“ üblicherweise so in der Toilettenkabine bereitgestellt.
Dies ist einer unserer MELFI Tiefkühler, in denen wir unsere Proben wie Urin, Blut oder Speichel aufbewahren, unter anderem aber auch Kühlakkus, welche die Proben davor bewahren, auf dem Heimweg zu warm zu werden. Diese Schubladen werden üblicherweise bei ungefähr -90°C gehalten – Handschuhe sind Pflicht!
Wir haben in Node 2 zwei Wartungs-Arbeitstische. Wenn sie nicht genutzt werden, können sie flach gegen an die Wand gedreht werden. Wenn wir Wartungsarbeiten an mobilem Equipment durchführen müssen – oder auch die Verarbeitung und Analyse von Wasserproben – ist dies ein praktischer Platz, um sich aufzubauen. Zu meiner Linken im Bild befinden sich vier Besatzungsabteile, meins ist im Deck.
Relativ häufig müssen wir allerdings auch Wartungen und Prüfungen an Equipment durchführen, ohne es auszubauen. Dies ist zum Beispiel das OGS, unser Sauerstofferzeugungssystem (Oxygen Generation System). Es produziert durch die Elektrolyse von Wasser Sauerstoff und speist ihn direkt in die Kabine ein.
Während Expedition 42 bekamen wir einen 3D Drucker hier hoch geschickt. Druckaufträge wurden vom Boden geschickt, wir mussten nur das gedruckte Objekt aus dem Drucker entfernen und die Ablage für den nächsten Lauf vorbereiten. Die Anlage, der Mikrogravitations-Wissenschafts-Handschuhkasten (Microgravity Science Glovebox – MSG) wurde zwischenzeitlich für andere Experimente genutzt. Für genauere Details müsst ihr allerdings Terry fragen, er ist unser MSG Experte.
Manchmal braucht man keinen großen Handschuhkasten und eine portable Anlage ist ausreichen. Dieser Handschuhkasten ist, wenn nötig, einfach auf- und anschließend wieder abgebaut und verstaut.
Die Gesundheit der Augen ist eine große Sache auf der Raumstation. Negative Effekte der Schwerelosigkeit auf die Augen wurden von vielen Besatzungsmitgliedern beobachtet und die Suche nach einer Erklärung läuft. Regelmäßiger Ultraschall der Augen ist Teil dieser Bemühungen. Ein anderes Besatzungsmitglied dient als Operator und ein Anleiter am Boden gibt basierend auf dem live übertragenen Ultraschallbild und einem Livebild des Versuchsobjekts Anweisungen. Farbig codierte Schaltflächen sind gut geeignet um Anweisungen an Leute wie uns weiterzugeben, die wenig Training und Erfahrung haben.
Räumt die Kabine, wir installieren MARES! Diese Anlage wird die Untersuchung der Effekte von Schwerelosigkeit auf Muskeln untersuchen. Sie hatte anfangs einige Kinderkrankheiten, vor zwei Wochen aber hatten einen erfolgreichen Checkout. Es hat Spaß gemacht, „das Monster“, wie wir es liebevoll nennen, zusammenzubauen und Tests laufen zu lassen. Die größte Herausforderung aber war es, nach der Zerlegung alle Teile in nur einem Rack wieder zusammenzufügen. Jemand Lust auf Testris?
Hin und wieder installieren wir Gerätschaften auf dem Gleit-Tisch der JEM Luftschleuse, sodass sie nach draußen gebracht werden können. Üblicherweise haben wir Minisatelliten in ihrem Auswurfsystem befestigt. In diesem Fall installiere ich die Roboter-Auftank-Mission, ein Technologieträger für das automatische Auftanken von Satelliten im Orbit. Viele empfindliche Bauteile müssen mit dem größtmöglichen Respekt behandelt werden! Übrigens, ganz rechts seht ihr einen Screenshot von WorldMap, unserer Erdbeobachtungssoftware. Sie zeigt uns unsere Flugbahn über der Erdoberfläche, Überflugvorhersagen und vieles mehr. Die vier grünen Kästen auf den anderen Laptops zeigen uns den Kommunikationsstatus unserer vier Weltraum-zu-Erde Kanäle im Up- und Downlink. Grün bedeutet gut, grau bedeutet einen Signalverlust. Diese Anzeige kann auf allen PCS Laptops angezeigt werden, welche an den Kontrollbus der Station angeschlossen sind und Telemetrie- und Kommandodaten zur Verfügung stellen. Da der Boden die meisten Kommandos über die Ferne ausführt, lassen wir fast alle PCs so stehen, mit dem Kommunikationsstatus in der maximierten Anzeige. Sie sind strategisch platziert, sodass überall auf der Station immer einer in Sichtweite ist, sodass wir jederzeit einfach prüfen können, ob wir Kommunikation zum Boden haben oder nicht.
TripleLux B ist eine ESA Untersuchung, die den Effekt der Schwerelosigkeit auf Immunzellen untersucht, welche in der Biolab Anlage im Kolumbus Modul stattfindet. Biolab verursachte einige ungeplante Wartungsarbeiten (ein Rauchmelder tief im Bauch des Racks musste getauscht werden), aber glückerlicherweise war es wieder in Form, bevor die Zellkulturen verfallen waren. Die TripleLux B Operationen wurden gestern erfolgreich abgeschlossen. Als nächstes ist in Biolab TripleLux A an der Reihe, mit Zellkulturen, die bald mit SpX-6 ankommen.
Um nach Hause zu fliegen, was viel zu bald sein wird, hatten Anton und ich kürzlich ein OBT (An-Board-Training / On-Board-Training) im manuellen Soyuz Abstieg. Genau wie im Simulator in Star City flogen wir manuelle Wiedereintrittsabläufe: wir mussten uns nur daran gewöhnen, Knöpfe auf der Laptoptastatur zu drücken, anstatt der echten großen Knöpfe des manuellen Abstiegs-Kontroll-Gerätes.
Wir machten noch ein Gruppenfoto von Expedition 42, bevor Sasha, Elena und Butch abreisten. Unser Motto: Keine Panik und sei dir immer bewusst, wo dein Handtuch ist!
Auf dieser Website findet Ihr deutsche Übersetzungen der Logbucheinträge von ESA Astronautin Samantha Cristoforetti – im Einsatz an Bord der Internationalen Raumstation ISS