Schlagwort-Archiv: space

L+134 – L+135: Bald kommt ein neues Dragon Schiff

Die Ankunft des Dragon Versorgungsschiffes ist nur noch zwei Wochen entfernt und es ist beeindruckend, der Raumstation bei der Vorbereitung dafür zuzusehen.

Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich den vollen Überblick darüber habe, aber das ist der Job von Leuten, die schlauer sind als ich und im Kontrollzentrum sitzen und die Show steuern. Hier oben versuchen wir so gut es geht unsere täglichen Aufgaben zu erledigen, aber auch die sind natürlich Teil eines Puzzles, aus dem am Ende eine volle Ankunftsmission eines Raumfahrzeugs wird, vom Einfangen bis zur Loslösung, mit einer beträchtlichen Menge wissenschaftlicher Arbeit, während Dragon an der ISS anliegt.

Gestern installierte ich auf einigen Laptops neue Software, sodass sie bereit sind, die neuen Experimente zu unterstützen. Heute verbrachte ich zwei Stunden damit, all das für ein bestimmtes Experiment benötigte Equipment auf der gesamten Station zusammenzusuchen, sodass alles fertig und verfügbar ist, wenn diese Aktivitäten in einigen Wochen beginnen. Und natürlich bereiten Terry und ich uns weiter auf das Einfangen von Dragon vor.

Heute hatten wir unser „versetztes greifen“ („offset grapple“) Training, eine zweistündige Sitzung, in der wir das Steuern des echten Arms üben konnten, anstatt einer Simulation. Ich sprach bereits vom „versetzten Greifen“ in meinem L+20-L+21 Logbuch. Schaut es euch an, falls ihr es verpasst habt:

https://plus.google.com/u/0/+SamanthaCristoforetti/posts/UeZYA3DFrw1 (englisch)

Als das letzte Dragon Schiff ankam führte Butch das Einfangen aus. Diesmal bin ich die Haupt-Roboter-Bedienerin, ich werde also die Arme steuern, während Terry für die Kommunikation mit dem Boden verantwortlich sein wird, die Prozeduren und die Fehlfunktionskarten durchgehend (letztere werden wir hoffentlich nicht brauchen).

134_1

Wo wir von Fehlfunktionen sprechen, bei unserem letzten „fast Einfangen“ trainierten wir das Reagieren auf ein Sicherungsereignis („safing event“), welches auftritt, wenn der Arm und der Greifer sich bereits über dem Pin befinden, also sehr kurz vorm Auslösen des Greifens oder sogar kurz danach. Der Arm geht nach einer Fehlfunktion automatisch in einen Sicherheitsmodus, was es unmöglich macht, die Gelenke, den Endgreifer oder den Arm als Ganzes zu steuern.

134_2

Glücklicherweise sind es in Wirklichkeit „zwei Arme in einem“. Zugegeben, es ist nur ein Set von Trägern und Gelenken, aber davon abgesehen gibt es eine volle Redundanz von allen Komponenten, die es dem Arm ermöglichen, sich zu bewegen. Um diese Redundanz zu nutzen, mussten wir uns von der Cupola zum Labor bewegen, wo wir eine zweite robotische Arbeitsstation haben. Am Einfangtag ist diese zweite Arbeitsstation im „heißen Backup“ Modus, es kann sie also jeder Schaltflächendruck zur primären Station umschalten und ihr die Kontrolle des Arms verleihen. Hättet ihr nicht gerne diese Art Redundanz in eurem Auto, wenn die rote Leuchte angeht?

Achso, gestern verbrachte ich auch etwas Zeit mit meiner regelmäßigen Fitnessbewertung. Wir machen diese auf dem Fahrrad, CEVIS, einmal im Monat, nach einem festgelegten Protokoll, während unser EKG aufgezeichnet und der Blutdruck alle fünf Minuten gemessen wird. Basierend auf diesen Daten können Spezialisten am Boden eine Einschätzung über unseren VO2max Wert abgeben, welcher häufig dazu genutzt wird, um die Fitness unseres Herz-Kreislauf-Systems zu bewerten. Der typische Trend, der während 6-monatiger Missionen beobachtet wird ist eine deutliche, schnelle Abnahme des VO2max Wertes am Anfang und anschließend eine langsame Zunahme durch die täglichen Trainings auf dem Rad und dem Laufband. Und je näher wir der Rückkehr zu Erde kommen, umso wichtiger ist es zu trainieren, um der Schwerkraft wieder entgegen treten zu können.

Originaler Logbucheintrag bei Google+
https://plus.google.com/u/0/+SamanthaCristoforetti/posts/PupqrYodALf

(Trad IT)  Traduzione in italiano a cura di +AstronautiNEWS  qui:
http://www.astronautinews.it/tag/logbook

(Trad FR) Traduction en français par +Anne Cpamoa ici:
https://spacetux.org/cpamoa/category/traductions/logbook-samantha

(Trad ES) Tradducción en español por +Carlos Lallana Borobio aqui:
http://laesteladegagarin.blogspot.com.es/search/label/SamLogBook

Alle Bilder © ESA/NASA

L+133: Die Aufgabenliste – nicht immer Glanz und adrenalingeladen

Es ist ein ruhiger Ostersonntag heute hier auf der ISS, überhaupt keine Arbeit findet sich auf meinem Kalender, obwohl ich einige Arbeiten abseits der Aufgabenliste erledigt habe. Oh, ich glaube, ich habe euch noch nie von der Aufgabenliste erzählt – Zeit, das zu ändern.

Die Aufgabenliste ist eine Sammlung von Aktivitäten, die von der Bodenkontrolle vorbereitet wurden, aber keine so große Priorität haben, um auf dem regulären Kalender zu landen. Wenn wir in unserer Freizeit etwas arbeiten möchten, oder wenn Zeit frei wird, weil eine Aktivität schneller als erwartet abgeschlossen wird oder abgesagt wurde, können wir die Aufgabenliste durchsuchen und nützliche Dinge finden, die zu erledigen sind.

Manche sind größere Aufgaben von mehreren Stunden, andere sind kleinere Hausarbeiten, wie das Tauschen von Akku oder Hülle eines Laptops oder dem Umräumen von Ladung zur Vorbereitung einer anstehenden Aktivität. Packen und Entladen von eines Frachtfahrzeugs stehen auch oft auf der Liste, falls wir in unserer Freizeit vorarbeiten wollen.

Da es keine Option ist, mit dem Packen spät dran zu sein, fangen wir damit immer frühzeitig an: die Ladungsspezialisten am Boden schicken uns Ladungslisten lange bevor ein Fahrzeug tatsächlich ankommt, sodass wir damit beginnen können, die Säcke für die Rückkehr bereit zu machen. Im ersten Bild seht ihr das Ende von Node 2 mit all den Säcken, die wir bereits für Dragon gepackt haben. Vergleicht es damit, wie es einen Monat zuvor aussah auf dem Bild unserer Besatzung von Expedition 42!

133_1133_2

Das Aufnehmen von Videonachrichten oder von Lehrvideos für weitergehende Zwecke findet sich auch üblicherweise auf der Aufgabenliste, so wie auch einige Vorgänge, die dauerhafte Einträge sind: die Festmüll- und Urincontainer unserer Toiletten austauschen. Nach den ersten paar Malen braucht man dafür keine Prozeduren mehr, aber eine Aktivität auf der Liste hat außerdem auch eine Ladungsnotiz, welche einem in diesem Fall anzeigt, welche neuen Container man nehmen soll, wo man sie findet und wo die ausgebauten zu verstauen sind.

Wir ihr wisst, wird jeder Gegenstand auf der Raumstation verfolgt: per Teilenummer, Barcode, Seriennummer – oder durch alle drei!

Hin und wieder gehen trotzdem Dinge verloren. Wir sind alle nur Menschen und Fehler sind daher irgendwann vorprogrammiert: wenn etwas an der falschen Stelle landet (im echten Leben oder im Inventarsystem), wer weiß, wann es gefunden wird! Außerdem finden sich mit der Zeit immer wieder Dinge, die eigentlich bereits vor langer Zeit weggeworfen werden sollten. Anders als in den Haushalten anderer Leute, können wir es uns nicht leisten, Dinge anzusammeln, die nicht mehr benötigt werden, da wir Platz für neue Hardware brauchen, um das wissenschaftliche Programm weiter zu unterstützen.

Das europäische Columbus Labor hat davon einiges gesehen in den 7 Jahren, die es jetzt im Orbit ist. Als ich im November ankam, gab es durchaus einige Lade-Säcke vorne in den Racks: so viele Wissenschaftliche Experimente und so wenig Platz, das Equipment zu verstauen! Glücklicherweise nahmen ATV5 und SpX-5 einige Säcke, die nicht mehr gebraucht wurden, mit und eine Optimierung des verfügbaren Stauraums am Ende des Moduls hat die Kabine ein gutes Stück aufgeräumt.

Um weiter zu optimieren habe ich an den Wochenenden Foto-Audits unseres primären Lade-Racks Deck 4 in Kolumbus gemacht. Das Lade-Team beim COL-CC, die COSMOs, wollen ein genaues Bild davon haben, was sich in den Spinden befindet, um einen Plan zur Zusammenführung zu machen, um hoffentlich etwas Platz zu sparen! Ich habe also viel geknipst…geduldig, Spind für Spind, Sack für Sack, Gegenstand für Gegenstand, immer schön die Barcodes und Seriennummern zeigend.

Und ihr dachtet, Astronautin zu sein, wäre immer glamourös und adrenalingeladen, was?

Originaler Logbucheintrag bei Google+
https://plus.google.com/u/0/+SamanthaCristoforetti/posts/JYKJiMjN614

(Trad IT)  Traduzione in italiano a cura di +AstronautiNEWS  qui:
http://www.astronautinews.it/tag/logbook

(Trad FR) Traduction en français par +Anne Cpamoa ici:
https://spacetux.org/cpamoa/category/traductions/logbook-samantha

(Trad ES) Tradducción en español por +Carlos Lallana Borobio aqui:
http://laesteladegagarin.blogspot.com.es/search/label/SamLogBook

Alle Bilder © ESA/NASA

L+131 – L+132: Pflanzen im Weltall

Gestern war ein relativ ruhiger Tag, was am Ende der Woche immer nett ist. Nicht, dass ich nicht einen vollen Kalender gehabt hätte – wir haben immer zu tun von unserer morgendlichen Tagesplanungskonferenz (DPC – Daily Planning Conference) gegen 7:30 Uhr bis zur abendlichen DPC gegen 19:30 Uhr. Allerdings können die Aufgaben mal mehr, mal weniger komplex sein und mehr oder weniger Routine beinhalten.

Ein neues Experiment durchzuführen, welches einen komplizierten Aufbau, viel Koordination mit dem Boden oder filigrane Tätigkeiten erfordert ist natürlich sehr viel anspruchsvoller als eine Aufgabe, die ich schon einmal ausgeführt habe und die ich autonom durchführen kann, wie z.B. Wasserproben zu nehmen oder Spinde in unseren Express Racks ein- oder auszubauen. Dies sind modulare Racks, die eine breite Anzahl an wissenschaftlichen Arbeiten unterstützen und kontinuierlich umgebaut werden, abhängig von aktuellen oder kommenden Arbeiten.

Einfache oder routinierte Aufgaben, die nicht viel Unterstützung von den Kontrollzentren erfordern sind in unserem Zeitplan als „pinke Aktivitäten“ hinterlegt – die Schrift in unserer Planungsübersicht ist pink, was bedeutet, dass wir sie durchführen können, wann immer wir wollen, solange sie am Ende des Tages getan sind.

Für nicht-pinke Aktivitäten hingegen wird erwartet, dass sie mehr oder weniger zeitnah erledigt werden. Einige Aufgaben haben sogar eine blaue Box – ein dicker Rahmen um die Aktivität zeigt an, dass sie genau zur geforderten Zeit ausgeführt wird. Typische blaue-Box-Aktivitäten sind live Interviews mit den Medien oder öffentliche Gespräche mit VIPs, welche am Boden einen komplexen Aufbau erfordern, um zur vereinbarten Zeit Audio und Video Verbindungen mit den Partnern am anderen Ende zur Verfügung zu stellen.

Die meisten Experimente haben keine blaue Box, sind aber auch nicht pink. Das liegt daran, dass sehr häufig Spezialisten, die mit dem Experiment und seinen Tätigkeiten vertraut sind und manchmal auch der/die für das Experiment Hauptverantwortliche auf space-to-ground verfügbar sind, um Unterstützung oder, falls nötig, Echtzeit-Fehlerbehebung zur Verfügung zu stellen. In vielen Fällen hat man keine Chance, das Experiment ein zweites Mal korrekt durchzuführen (zumindest nicht, bevor man neue Proben oder Equipment hochfliegt), daher ist es wichtig, größtmögliche Unterstützung zu haben, falls Probleme auftreten sollten.

Wo wir von Wissenschaft sprechen, heute habe ich ein bisschen am JAXA Experiment ANISO gearbeitet. Ich habe einige Durchläufe dieses Experimentes ausgeführt, jeder (von meiner Seite aus) bestehend aus einer Anzahl von Aktivitäten, die sich über mehrere Tage verteilen.

Sagen wir, es ist Tag 1: man nimmt sich eine Probenkammer, wie auf den Bildern zu sehen, und injiziert mit einer Spritze langsam 1,5ml Wasser. Anschließend kommt die Kammer bei +2°C für 96 Stunden in MELFI! Dies simuliert Winter und fördert eine gute Keimung der Samen der Schotenkresse/Gänserauke. Anschließend kommt die Kammer für ungefähr 4 Tage in Raumtemperatur (Der Frühling ist da!) und am Ende, nachdem etwas mehr Wasser zugesetzt wurde, beginnen im Fluoreszenzmikroskop über zwei Tage die Beobachtungen durch Wissenschaftler am Boden, die direkt die Livebilder von der ISS untersuchen.

131-132_1

Wir wissen schon seit langem, dass Pflanzen in der Schwerelosigkeit anders wachsen. Da sie hier oben die Schwerkraft nicht „spüren“, neigen sie dazu, einen dünneren und längeren Stamm zu entwickeln. Tatsächlich haben ANISO Wissenschaftler das Gegenteil davon am Boden getan, indem sie die Samen in eine Zentrifuge pflanzten und damit zeigten, dass die Pflanzen in „Hyperschwerkraft“ kürzere und dickere Stämme entwickeln. Der Unterschied rührt wahrscheinlich in der unterschiedlichen Ausrichtung von Mikroröhrchen in den einzelnen Zellen, welche ihre Form verändern. Ich finde es faszinierend, dass etwas so kleines wie eine Zelle von der Schwerkraft beeinflusst wird!

Eine bestimmte Gruppe von Proteinen, genannt MAPs, steuert die Ausrichtung der Mikroröhrchen und damit die Form des Stamms. Man kann nun die Mikroröhrchen und MAPs unter dem Fluoreszenzmikroskop nicht wirklich sehen, aber die Schotenkresse/Gänserauke ist so konstruiert, dass sie ebenfalls ein fluoreszierendes Protein erzeugen, das MAPs genau nachahmt – und das funktioniert! Nun kann man das Fluoreszenzmikroskop nutzen, um indirekt Proteine zu beobachten, die man anderenfalls nicht sehen könnte. Faszinierend, oder?

Es klingt ein wenig paradox, aber Schwerelosigkeit ermöglicht die Untersuchung der Auswirkung von Schwerkraft auf Pflanzen, was wiederum dabei helfen kann, landwirtschaftliche Anwendungen zu optimieren. Ich habe keinen Hintergrund in Biowissenschaft, daher ist das alles sehr neu für mich, aber ich hoffe, ihr findet es so faszinierend, wie ich!

131-132_2

Originaler Logbucheintrag bei Google+
https://plus.google.com/u/0/+SamanthaCristoforetti/posts/bm7Z7B62Nw9

(Trad IT)  Traduzione in italiano a cura di +AstronautiNEWS  qui:
http://www.astronautinews.it/tag/logbook

(Trad FR) Traduction en français par +Anne Cpamoa ici:
https://spacetux.org/cpamoa/category/traductions/logbook-samantha

(Trad ES) Tradducción en español por +Carlos Lallana Borobio aqui:
http://laesteladegagarin.blogspot.com.es/search/label/SamLogBook

Alle Bilder © ESA/NASA